Vita, tu mi fai morire
Hoch oben weites Blau reloaded
Uraufführung am 10.11.2008 als Eröffnungsproduktion des Theaterfestivals
STARKE STÜCKE ´08
Aktuelle Spieltermine: 13.-16.09.2010
i-camp/neues theater, München, 20:30 Uhr
17.10.2010 Tanz-und Theaterwerkstatt. Ludwigsburg
Idee/Regie/Choreographie/Tanz: Yvonne Pouget
Gesang/Schauspiel: Giacomo Di Benedetto
Skulptur: Hélène Yousse
Video: Anja Uhlig
Lichtdesign: Rainer Ludwig
Yvonne Pougets Tanztheater „Vita, tu mi fai morire“ ist die herausgepresste und noch einmal verdichtete Essenz ihrer Produktion „Hoch oben weites Blau“.
Ausgangspunkt bleibt das Unglück eines russischen Tauch-U-Boots, das im August 2005 nach drei Tagen vom Meeresgrund geborgen werden konnte. Gemeinsam mit dem Sänger und Schauspieler Giacomo Di Benedetto entführt sie den Zuschauer
dabei in eine tiefgründig-geheimnisvolle Theaterwelt in der die Seele atmet.
Die gebürtige Italienerin Yvonne Pouget beleuchtet die Folgen von Trauma und
posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und nimmt den Betrachter mit in den Abyss, in den Abgrund des Traumas, den sie fühlbar in den Theaterraum projiziert. Am Ende zeigt sich Er-Lösung, trotz des harten und sehr zeitaktuellen Themas gelingt Pouget ein sinnlichpackender Abend, bei dem der Zuschauer am Ende sicher und erleichtert aus dem (mit) -gefühlten Abgrund zurück geleitet wird.
Pouget bezeichnet den Abend als „ein Gebet für davongeflogene Seelenvögel“.
Die Premiere des ursprünglichen Stückes “Hoch oben weites Blau” fand am 26.06.2008 im i-camp statt und wurde durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München gefördert. Mit freundlicher Unterstützung durch Tanztendenz München und i-camp/Neues Theater München.
“Hoch oben weites Blau” wurde von der Abendzeitung mit dem “Stern der Woche” ausgezeichnet.
Presse-Clippings:
Festival Starke Stücke „08“, Schwäbische Zeitung, 22.11.2008
….“so ein Stargast wie „La Fura dels Baus“ wie bei den Starke Stücken 1990 fehlt diese Mal, aber eine Katharsis kann Yvonne Pouget´s „Vita, tu mi fai morire – Hoch oben weites Blau“ auch bieten. Pouget, eine der ausdrucksstäksten Choreografinnen nicht nur der Münchner Tanzszene, verwendet ein russisches U-Boot-Unglück als Gerüst ihrer Performance. Und sie findet gemeinsam mit dem italienischen Sänger Giacomo Di Bendetto eindringliche Bilder und Töne für Abschied, Schmerz, Einsamkeit und Angst: die Pieta einer Verlassenen in diffusem Licht. Ein trauriges Lied, das über zwei Liebenden schwebt. Eine Hand, die immer weiter nach oben greift, auf der Suche nach Leben. Ein Körper der sich selber über die Bühne schleift, als sei er nur ein Bündel.“….
B5 Kulturnachrichten vom 11.11.2008:
“Am Montagabend wurde im i-camp das Münchner Performance-Festival „Starke Stücke 08“ eröffnet. Nach 18 Jahren Zwangspause für die Veranstaltung schauten bei Yvonne Pouget´s „Vita, tu mi fai morire – Hoch oben weites Blau reloaded“ alle ganz genau hin. Und die 41-Jährige Tänzerin und Choreographin hat souverän überzeugt. Ihr Thema: das Trauma. Mit Bewegungen, Licht und Musik will sie erlebbar machen, wie sich die Folgen von Unfällen, Folter, Missbrauch anfühlen. Meist sind die Gesten minimal – das sind die erschütterndsten Momente. Die das Publikum mit umso größerem Applaus bedachte.”
Mehr inhaltliche Info mit einem Radiobeitrag ganz unten auf der Seite:
Der Abend befasst sich mit Trauma. Er beleuchtet die Erschütterung, die ein Trauma für die gesamte Persönlichkeit bedeutet. Um dieses überaus komplexe Thema für den Zuschauer greifbarer zu machen, wählt Yvonne Pouget als theoretischen
Ausgangspunkt das Unglück eines russischen UBoots: Drei Tage lang schienen die Matrosen dem Tod geweiht, umgeben von Dunkelheit, Kälte, erdrückenden Wassermassen am Grund des Pazifiks. Das Tauchboot Pris As-28 hatte sich in der
Verkabelung einer unterseeischen Abhöranlage verheddert. Dann werden die sieben russischen Matrosen geborgen. Und können den Himmel wieder sehen:
„Hoch oben weites Blau“! Unfall und Bergung gehen durch die Presse. Fakten, Zahlen. Yvonne Pouget fragt dagegen: Wie ist es den Männern ergangen? Wohin gingen ihre Seelen in dieser ausweglosen Stahlbüchse unter dem Meer?
Die Choreographin, die sich viel mit Traumaforschung beschäftigt hat, bedient sich dabei den Erkenntnissen der aktuellen Traumaforschung. Sie beleuchtet die Folgen von Monotraumata ebenso wie die Symptomatik von schweren dissoziativen Störungen/chronifizierter Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) nach mehrfacher bzw. anhaltender Traumatisierung. Die Psychosomatische Symptombildung der PTBS ist Zeit- und Kulturabhängig. Die gewählte Formsprache und das ausgewählte physische Material der Choreographin orientiert sich an der
Symptomatik der „Kriegszitter“ des 1. Weltkriegs. Diese “expressive” Symptomatik von PTBS ist ähnlich wie andere “expressive” psychosomatische Symptombildung (die so genannten Konversionsneurosen oder “hysterische” Lähmungen und Krampfanfälle, die am Anfang des 20. Jh. noch sehr häufig waren) heutzutage zugunsten der “stummen Symptome” Schmerz, Schwindel, Erschöpfung weitgehend “ausgestorben”.
Im ersten Teil des Stückes geht es mehr um die Entstehung und Ausprägung von traumatisch veränderter Hirnstruktur. Dabei wird nicht versucht narrativ zu erzählen und zu erklären, sondern die innere Welt und Empfindungen eines traumatisierten Menschen unmittelbar über den Körper fühlbar in den Theaterraum zu projezieren. Im zweiten Teil des Abends sind Aspekte bzw. Ausblicke von Traumatherapie auf Heilung nach allerneustem wissenschaftlichen Stand eingeflossen.
Auf diese Art setzt Yvonne Pouget mit ihrer Produktion zusammen mit dem Sänger und Schauspieler Giacomo Di Bendetto der posttraumatischen Belastung ein liebevoll poetisches Denkmal: gewidmet der Rettung des unsichtbaren Soldaten und des Mädchens, das er an Land zurück gelassen hat.
Pouget versteht in diesem Zusammenhang ihre ganz spezifische Formsprache jenseits des „klassischen“ zeitgenössischen Tanzes als einen Akt der symbolischen Wunscherfüllung. Ihre Arbeiten nehmen in der freien Tanzszene einen besonderen Platz ein. Sie stehen für die kleine Bewegung, das äußerlich Sichtbare reduziert auf die Essenz.
Vita, tu mi fai morire bedient sich dieser „Körpersprache der Poesie“ in Reinform zur metaphysischen Wunschhandlung: Die Welt der Bühne ermöglicht, woran die Realität scheitert, Flügelbaubewilligung für die Seele. Yvonne Pouget verwirklicht ihre Kunst rückhaltlos, ohne Zugeständnisse, aus einer
Notwendigkeit heraus. Eine Notwendigkeit, die kein Aufgeben erlaubt, die ihre Energiequelle schöpft aus dem Pochen einer offenen Wunde, in dem unbeherrschbaren Drang, unmittelbar das zu sagen, was gesagt werden muss. Die Zeit hat keine Zeit. Sie steht im Spannungsverhältnis mit dem Betrachten. Im
Spannungsverhältnis mit einem unerträglichen Schmerz.
Der Abend findet seine besondere Form durch die außergewöhnliche Künstler-Partnerschaft mit dem italienischen Sänger/Schauspieler Giacomo Di Benedetto. Mit Di Benedetto inszenierte Yvonne Pouget bereits in der Produktion „Il viaggo- la smorfia della vita“. Di Benedetto kann sich hingebungsvoll und mit bewundernswertem Einsatz auf die komplexe choreographische Sprache von Pouget einlassen und sie mit seiner Stimme ergänzen und erweitern.
M94,5 Radiobeitrag:
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